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7. Durchschlafen

Nachts alleine einschlafen Babys

Wenn das Baby nun in den ersten Monaten erfahren hat, dass Einschlafen leicht geht, es sich an eine Einschlafroutine gewöhnt und damit eine Schlaferwartungshaltung entwickelt hat und schon ein bisschen mithilft beim Einschlafen (Schnuller und Kuschel), dann sind das beste Voraussetzungen zum Erlernen des Durchschlafens.

Typische Entwicklungsaspekte beim Halbjährigen Kind

Der große 1. Reifungsschub mit drei Monaten ist vorbei, das Baby wird älter, reifer und allerlei anstrengende Veränderungen treten nun auf. Ab dem 4., 5. Monat nehmen die Kinder immer mehr wahr, sie entdecken die Welt und so sind die halbjährigen Kinder unglaublich aufmerksam, interessiert an allem und dadurch sehr ablenkbar. Zum Stillen/Trinken tagsüber haben sie kaum mehr Geduld und Zeit, denn es gibt so viel Spannendes am Tage zu erleben. So tritt die Nahrungsaufnahme am Tage in den Hintergrund insbesondere dann, wenn Nachts die unbeschränkte Möglichkeit zum Ausgleich des Kaloriendefizits besteht.

Auch im Gehirn passiert unglaublich viel. Es kommt zur Verbindung der beiden Hirnhälften und es besteht ein Maximum an Synapsenbildung. Diese Hirnumbauprozesse gehen nicht spurlos am Kinderschlaf vorbei. Tagsüber erwacht das Baby jetzt oft nach 30 Minuten und auch der Nachtschlaf wird unruhiger und plötzlich erwacht das Baby in diesem Alter, nachts ziemlich genau alle 2 Stunden.

Das hat schlafphysiologische Hintergründe. Die Schlafzyklen, welche Leicht-,Tief- REM-Schlaf und Wachphasen beinhalten werden Nachts mehrfach durchlaufen und so gehört das  Zwischenerwachen genau so zur Nacht, wie unterschiedliche Schlaftiefen. Bei jedem Wechsel der Schlaftiefe kann das Gehirn erwachen und „Schlafanfänger“ müssen erst lernen die Schlafphasen zu verbinden.
Das häufige Erwachen im Schlafphasenwechsel ist also typisch für dieses Alter, es ist ganz normal und sollte nicht automatisch mit Hungergefühlen fehlgedeutet werden.

Die Babys vergewissern sich, ob noch alles in Ordnung ist. Dabei vergleichen sie die Erwachens- mit der Einschlafsituation und sind irritiert, wenn diese sich unterscheiden.

Wer mit Einschlafstillen/Tragen in den Schlaf gezaubert wurde, erwartet beim Erwachen die Mutterbrust im Mund oder erwartet sich auf dem elterlichen Arm. Wenn sich das anders darstellt gibt es erstmal – Alarm. Die Mutter kommt und versucht die Welt wieder zu ordnen, in dem sie erneut stillt oder trägt.

Es wird durch Brust oder Flasche zwar meist schnelles Weiterschlafen erreicht, doch ganz nebenbei wird das Baby so satt, dass es bis in den Tag hineinreicht.
Schlafen und Essen sind Grundbedürfnisse eines jeden Menschen und natürlich muss das Baby ausreichend Kalorien zu sich nehmen. Aber ob die nötigen Kalorien auf 24 Std. verteilt, auf den Tag oder die Nacht verlegt werden, das hängt von den Eltern ab.
Sie entscheiden mit ihren Angeboten über den Tages- und Nachtverlauf, das Nahrungsangebot und wann Schlaf bzw. Unterhaltung stattfindet. Dies wird zur Normalität und im weiteren Verlauf zur Gewohnheit des Kindes.

Weiterschlafservice

Jede Form von „Weiterschlafservice“ wird vom Kind dankend angenommen, denn beide Teile, Eltern und Kind wollen Nachts möglichst schnell wiedereinschlafen. Das Baby gewöhnt sich daran, mit dem Problem, dass die liebgewonnenen Gewohnheiten im Bedarfsfall – also alle 2 Stunden lauthals eingefordert werden und dadurch schnell ein Erregungszustand erreicht wird, welcher das Weiterschlafen erschwert oder gar unmöglich macht. Dann kommt in der nächsten Erwachens Situation natürlich nur wieder das erwartete, gewohnte Verhaltensmuster in Frage, denn jede Verhaltensveränderung wird durch den kindlichen Protest im Keime erstickt. Deshalb werden diese Muster oft sehr lange, teilweise über Jahre hinweg aufrechterhalten. Und so kommt es, dass Kinder jeden Alters, nachts regelmäßig trinken, hochgenommen werden wollen, an den Eltern fummeln, saugen oder deren Haare drehen und ein Ausstieg davon den Eltern unmöglich erscheint.

Kindliche Eigenregulation

Das heranwachsende, reifere Baby kann aber schon sehr viel lernen. Altersgemäß entwickeln sich selbstregulative Fähigkeiten, aber nur wenn diese nicht blockiert, sondern gefördert werden.
Wenn also die Eltern grundsätzlich den Beruhigungs- und Einschlafjob des Kindes komplett übernehmen, verhindern sie damit die Eigenregulation des Babys.
Merke: Elternhilfe blockiert Eigenhilfe
ZB wird beim gerne praktizierten Einschlafstillen/Einschlafen an der Flasche zwar Nähe, Geborgenheit, glückseeliges satt werden und Einschlafen ermöglicht, aber der Eigenanteil des Kindes am Beruhigen und Einschlafen besteht aus Saugen und Schlucken.
Auch andauernde Bewegungsimpulse (Tragen, Pezziball, Federwiege) sind ungünstig und gaukeln dem Kind eine immerfort bewegte Welt vor, die nachts allerdings stillsteht und die sich erst durch Schreien wieder in Bewegung setzt. Diese Einschlafassoziationen werden also in der Nacht bei jedem Erwachen lauthals eingefordert – kein Wunder, wenn das Baby keine andere Idee vom Einschlafprozess hat.
Im Gegensatz dazu kann das gleich alte (satte) Baby, welches durch eine Einschlafroutine[DD2]  (Verweis) schon gelernt hat, etwas mit zu helfen beim ruhig und schlafbereit werden, zufrieden Schnullern, am Kuscheltuch [DD3] (Verweis) fummeln, der elterlichen Stimme lauschen und sich mit Wohlgefühl dem Schlaf überlassen. Dieses Baby hat deutlich mehr Eigenanteil am Einschlafen und wenn in der Nacht Wiedereinschlafen nötig ist, können die Eltern ihre Hilfen zurücknehmen und so dem Kind die Möglichkeit geben, seine eigenregulativen Fähigkeiten zu entdecken und zu üben.  

Vorgehen in der Nacht – Weiterschlafsprache

Also Kinder müssen geborgen, satt, müde, zufrieden und schlafbereit sein, um gut einschlafen zu können. Haben sie eine schlafhinführende Einschlafroutine gelernt, können sie auch Abends im Vorfeld gestillt, dann „runtergekuschelt“ und im Bett zunehmend selbstständiger einschlafen. Sie haben gelernt einschlafen geht ganz leicht. Wenn sie dann Nachts erwachen, ist es anfangs notwendig prompt aber moderat zu helfen. Später wird die Hilfe immer mehr zurückgenommen und das Kind lernt sich selbst zu beruhigen.

Ich möchte alle Eltern dazu ermutigen, beim typischen Zwischenerwachen ihren Schlafanfängern das Weiterschlafen zu lehren:
D.h. eine „Weiterschlafsprache“ muss her:  „Sch – sch- sch-Geräusche,“ „alles gut“, kein Blickkontakt, rhythmisches Popoklopfen, sanftes Bewegen, kurzes Umbetten: „bitte wenden“, streicheln, Kuscheltuch/tier, Schnuller geben, singen, summen, Wohlfühlgefühl liefern, Bettchen hin und her fahren und möglichst schnell weiterschlummern und nicht automatisch stillen oder rausnehmen.
Dieses Vorgehen fördert die eigenregulativen Fähigkeiten des Babys und die physiologischen Schlafabläufe werden nicht gestört oder unterbrochen. Damit unterstützen die Eltern die kindliche Schlaf-Wach-Organisation und das Baby kann erfahren, dass kurzes Zwischenerwachen kein Grund zum vollständigen Aufwachen ist und schon gar kein Grund zum andauernden Essen/Stillen/Trinken.

Merke: Der Schlaf-Modus sollte aufrecht erhalten und nicht durch Trinken oder heraus nehmen gestört werden. Eltern sollten Ihr Kind lehren, dass Aufwachen kein Problem, sondern normal ist – es ist ein Anlass zum Weiterschlafen nicht zum Essen!

Natürlich darf altersgemäß und mit sinnvollen Abständen auch gestillt oder Flasche gegeben werden zB 1-2 x Nacht. Meine Empfehlung ist es aber zu transportieren, dass in der Nacht geschlafen und wenig gegessen wird. Tagsüber achten wir auf häufigere regelmäßige Mahlzeiten und ausreichende Kalorienversorgung. Ab dem 6. Monat können Kinder lernen Ihren Kalorien bedarf (überwiegend) tagsüber zu decken.  Aber nur die, welche Nachts (wenig) keine Kalorien zu sich nehmen.
Auch ans Weiterschlafen kann das Baby sich gewöhnen– anfangs mit Hilfe, später selbstständig

Voraussetzung für die kindliche Eigenregulation

Eltern helfen nur so viel wie nötig – so wenig wie möglich – und irgendwann gar nicht mehr!
Natürlich muss im Verlauf die elterliche Hilfe schrittweise zurückgenommen werden, damit das Kind in dem gleichen Maße lernt, sich selber zu regulieren.

Zu Beginn gibt’s beim Zwischenerwachen sch-sch-sch, Lagekorrektur und Schnuller und Kuschel in die Hand, dann gibt’s sch-sch-sch und die Einschlafhilfen wandern nur noch in die Nähe der Hand, dann kommt nur noch ein sch-sch-sch und schlußendlich holt sich das Baby Schnuller und Kuschel selber im Halbschlaf, dreht sich um und muggelt sich zurecht und die Eltern bemerken dieses Zwischenerwachen gar nicht mehr. Sie verkünden stolz: Mein Kind schläft durch!  

Schlussgedanken

Wäre es nicht großartig, wenn:

  • diese Zusammenhänge den Eltern schon im Babyalter klar wären
  • die 2 stündige Nachfrage nach Weiterschlafhilfe nicht automatisch immer mit Essen/Trinken/Bewegung, sondern mit Beruhigung einherginge?
  • Eltern grundsätzlich mehr Augenmerk auf das Beruhigen legen würden
  • Eltern eine Weiterschlafsprache erlernen würden?
  • Eltern ihre Co-Regulation altersgemäß zurücknehmen und so ihre Kinder in die Eigenregulation führen würden?
  • Wenn die anstehenden Entwicklungsaufgaben zum altersgemäßen Zeitpunkt gemeinsam bewältigt werden?
  •  

Wenn Eltern diese Zusammenhänge verstanden haben, könnten sie

einen Grundstein legen für eine lebenslang gute Schlafkultur.

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